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Doping in Fitness-Studios – Medikamente gebrauchen nicht nur Profisportler und Olympioniken missbräuchlich, sondern auch die Börsenhändlerin, der Finanzvorstand, die Marketingchefin oder der Investment-Banker. Und zwar dann, wenn diese Büro-Klientel ins Fitness-Studios geht. Dann werden sie Teil eines illustren Doping-Treibens. Wir wollen die schleichenden und weitgehend unbekannten Suchtfallen namens Fitness-Studios einmal genauer beleuchten.

Wann der Wahn um den Körper genau begann, weiß keiner so genau. In den 80er Jahren mit der Fitness-Bewegung oder doch schon früher mit den melancholischen Stallone-Filmen. Irgendwann jedenfalls liefen die Männer in die Studios, um ihren Körper zu formen. Die eigenen körperlichen Voraussetzungen wurden mit Mitteln zum Muskelaufbau überwunden. Das ist heute auch noch so, doch haben sich die Ingredienzen und die Konsumenten verschoben: Bodybuilding ist nicht mehr nur eine Domäne der Männer, sondern findet in einer transformierten Form als körperoptikorientierter Fitnesssport auch bei Frauen Anklang.

Experten sprechen auch nicht mehr nur von Muskelaufbaupräparaten, sondern von handfestem Doping beziehungsweise von Medikamentenmissbrauch. „Das ist es, was Fitness-Studio-Kunden heute tun“, sagt Dr. Mischa Kläber vom Deutschen Olympischen Sportbund, Ressortleiter Präventionspolitik und Gesundheitsmanagement. Von den Studios werden Mittelchen – beginnend mit vermeintlich harmlosen Nahrungsergänzungsmitteln wie Creatin – oft gleich am Empfang angeboten. Mit der Sucht nach dem idealen Körper beginnt also auch ein stiller Teufelskreis.

Um bessere Ergebnisse bei dessen Modellierung zu erzielen, dopen sich gemäß Studienlage rund 19 Prozent der Männer und ebenso viele Frauen mit vermeintlich harmlosen Nahrungsergänzungsmitteln, die die Hormonproduktion anregen, mit Arzneimitteln aus der Humanmedizin wie Ephedrin, Clenbuterol, Anabolika oder Wachstumshormonen. Wer aufs Geld schauen muss, nimmt die preisgünstigeren Tierarzneien.

Frau und insbesondere Mann mögen auch gerne Kuren mit Anabolika. Und wer mal eine von zehn bis zwölf Wochen gemacht hat, erlebt eine neue Dimension an Körpergefühl. Die Dosierung wird erhöht, die Toleranzentwicklung setzt ein und eine ganz persönliche Dopingfalle hat zugeschlagen. Mit dem Ergebnis, dass viele Athlet/innen das ganze Jahr online sind – wie es im Fachjargon heißt. Komisch finden das aber weder die Frauen noch die Männer. Denn der Sport und ihr Körper sind deren Lebensphilosophie und dieser wird alles untergeordnet.

„Doping fällt nicht vom Himmel“,

so Kläber, der selbst viele Jahre als Trainer in einem Fitness-Studio arbeitete und die Szene kennt. „Es ist ein zutiefst sozial determiniertes Phänomen. Man braucht nämlich ein begleitendes und assistierendes Umfeld. Allein macht das keiner. User-Netzwerke in den Fitnessstudios und Kraftsportforen im Internet, in denen man sich über Kuren und Wirkstoffe austauscht, sind notwendig, um sich das Doping-Wissen anzueignen. Man braucht Leute, die die Mittel beschaffen – entweder über den Schwarzmarkt oder über normale Mediziner. Trainingspartner zeigen einem dann, wie man die Spritze vorbereitet, die Nadel richtig setzt, wie man lüftet und die Injektion im Ganzen vornimmt. All das muss man lernen.“

Er betont, dass jeder dafür anfällig ist – gerade Leute aus dem Top-Management. Denn die Leistung an ihrem Körper haben sie sich beim Körpermodellieren selber zu verdanken und keinem Teamwork, wie dies im Job oft der Fall ist. Am Gerät kann der Egozentriker sich richtig bewundern. Das macht ihm keiner streitig.

Kläber glaubt auch, dass Marathon- und Triathlon-Veranstaltungen oder die Hobby-Radfahrerei von 80 Kilometern und mehr genau aus diesem Grund so beliebt sind.
„Insgesamt kann man sagen, dass diese Personen das Problem haben, dass sie sich zuviel anstatt zu wenig bewegen. Sie zehren sich aus.“

Wie und ob sich diese Hobbyläufer und -Radler dopen, bleibt natürlich deren Geheimnis.
In den Studios jedenfalls erfolgt der klassische Einstieg in einer Gemeinschaft, aus der sich langsam eine Gruppenmentalität herausbildet. Wer seine Identität an der Körperoptik festmacht, für den sind Rückschritte eine Katastrophe. Kommt dann der biologische Alterungsprozess hinzu, steigt der Druck. „Sehr häufig kommt es bei der Einnahme dieser Substanzen nicht nur zu einer Suchtentwicklung, sondern auch zu schweren Schädigungen des Herzens, die teilweise nicht umkehrbar sind“, warnt Dr. Angelika Guth, Kardiologin im Bundesverband Niedergelassener Kardiolog/innen (BNK).

Über 10 Millionen Menschen sind Mitglied in einem Fitness-Studio. Aktuelle Zahlen ergeben allein für Deutschland hunderttausende bis möglicherweise über eine Million Kund/innen, die über Erfahrungen mit dem Konsum von Dopingsubstanzen verfügen.

Hört man sich in der Szene um, so definieren die meisten Doping erst mit der Einnahme von Anabolika oder anderen Hormonpräparaten. Clenbuterol oder Ephedrin gehören für sie gar nicht dazu. Diese werden eher als Selbstverständlichkeit hingenommen. Das betrifft auch Nahrungsergänzungsmittel im Graubereich, die so genannten Pro-Hormone, die die körpereigene Testosteronproduktion pushen. Auch der Gebrauch von Schmerzmitteln gilt unter den Sportlern als selbstverständlich, ganz zu schweigen von Kombinationen aus Aspirin und Koffein.

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