Foto: cirodelia- stock.adobe.com
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Das Autorenduo Ulrike Gerold und Wolfgang Hänel hat mit Allee unserer Träume Historie und Fiktion zu einem spannenden Epos verknüpft. Auf verschiedenen, kunstvoll arrangierten Zeitebenen wird Ilses Geschichte von der Kindheit in den dreißiger Jahren bis weit nach dem Mauerfall erzählt.

Ulrike Gerold und Wolfram Hänel

Das Zentrum, quasi die „Diagonale“ der Erzählung, bleibt dabei immer die Allee, die ihr Schicksal wurde. Es geht in diesem vielschichtigen Roman um den (nicht nur) architektonischen Wettstreit der Systeme im kalten Krieg, um Opportunismus und Widerstandsgeist, um den Umgang mit der Nazi-Vergangenheit und den Verlust einer Gesellschafts-Utopie. Vor allem aber handelt die mit viel Zeitkolorit grundierte Geschichte von einer Frau, die in einer von männlicher Vorherrschaft geprägten Zeit mit Enthusiasmus und Durchsetzungswillen ihren beruflichen Traum verfolgt.

Das Buch erscheint ab 25. Januar 2019 in Ullstein Buchverlage, 320 Seiten, 11 Euro in Deutschland, ISBN: 978-3-548-29142-0 

Erst 25 Jahre später besucht Ilse noch einmal „ihre“ Straße, die nach dem Tod Stalins in Karl Marx Allee umbenannt wurde. Doch sie ist enttäuscht: Der Glanz der fünfziger Jahre ist dem Verfall gewichen, die Straße wirkt tot, die frühere Pracht ist nur noch eine Fassade.

Die Stalinallee war eines der größten und ambitioniertesten Bauprojekte der neu gegründeten DDR. Eine moderne Magistrale mit 7-13 stöckigen Häusern, die Anfang der fünfziger Jahre im Berliner Arbeiterquartier Friedrichshain entstand und bezahlbaren Wohnraum mit bis dahin nicht gekanntem Komfort kombinierte. Diese „Paläste für Arbeiter“, wie sie auch genannt wurden, mit Parkett, Heizung, Fahrstuhl und Müllschlucker, stellten in der Tat Luxus für die meisten Menschen im kriegszerstörten Berlin dar.

Cover des neuen Buches von Gerold & Hänel; bei Ullstein ab 25. Januar 2019.

Zugleich diente die rund zwei Kilometer lange und 90 Meter breite Prachtstraße in einem Stilmix aus preußischer Schinkelschule und sowjetischer Monumentalarchitektur der DDR-Führung als imposante Kulisse für Aufmärsche und Paraden. Buchstäblich auferstanden aus Ruinen, sollte sie die Überlegenheit des Sozialismus demonstrieren. Ein Symbol auch für den Wettstreit der politischen Systeme, für den im Westen der Stadt der fast
zeitgleiche Wiederaufbau des Hansa-Viertels stand.

Vor der zeitgeschichtlichen Kulisse dieses in Fachkreisen so genannten „letzten großen europäischen Boulevards“ haben Ulrike Gerold und Wolfram Hänel ihre größtenteils fiktive Geschichte der Ilse Schellhaas angesiedelt, der Tochter eines Architekten – Fritz Schellhaas.

Schon als Kind will Ilse in die Fußstapfen des bewunderten Vaters treten. Die begabte und selbstbewusste Architektentochter aus dem thüringischen Mühlhausen begleitet ihn auf Baustellen, lernt die Arbeit von der Pieke auf und träumt davon, einst Häuser zu bauen, die „in den Himmel“ ragen. Von der Mutter handfest unterstützt, studiert sie als eine von wenigen Frauen an der „Hochschule für Baukunst“ in Weimar. Die Eltern leben einvernehmlich getrennt und kämpfen sich auf unterschiedliche Weise durch die Kriegsjahre: Die alleinerziehende Mutter verdient Geld für sich und ihre beiden Töchter als Krankenschwester und verhilft heimlich Juden zur Flucht. Der Vater ist Soldat und kehrt völlig verändert und verstört aus dem Fronteinsatz zurück. Ilse, die nach dem Krieg in den Westen Deutschlands fliehen muss, wird beim neuerlichen Grenzübertritt von sowjetischen Grenzsoldaten gefangen genommen. Um sich zu retten, gibt sie sich als ihre Schwester Marga aus, eine verdiente Kommunistin, die bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist. Ein folgenschweres Geheimnis, das fortan ihr Schicksal bestimmt und nicht ohne Auswirkungen auf ihren beruflichen Traum bleibt. 

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