Foto ©Pavel Ignatov - stock.adobe.com
Foto ©Pavel Ignatov - stock.adobe.com

Der IB Campus Mannheim ist Teil des Microsoft Flagship School Programms. Der Vorsitzende des Vorstandes vom Internationalen Bund (IB) – Thiemo Fojkar – sagt dazu, dass er die Bildung junger Menschen von der Kita bis zum Hochschulabschluss auf eine ganz neue Ebene heben wolle.

Aber können eine Softwareriese und ein freier Träger der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit wie der Internationale Bund (IB) denn zusammenarbeiten, ohne die Werte des einen auf Kosten des anderen zu ignorieren? Projektleiterin und Pädagogin Doris Lauer zumindest hat sich auf ihre Fahne geschrieben, dafür zu sorgen, dass das nicht geschieht. „Wir möchten unseren Nutzer-innen modernste digitale Optionen anbieten, ohne aber unsere Identität und die Werte als IB zu verlieren oder unterzuordnen.“

Frau Lauer, ist das nicht eine andere Form von Gehirnwäsche, wenn eine gesamte edukative Wertschöpfungskette durch ein Wirtschaftsunternehmen geprägt wird? Haben Ihre Lernenden nicht irgendwann Microsoft auf ihre Stirn graviert? „Also Gehirnwäsche nicht. Das würden wir auch überhaupt nicht zulassen. Aber es ist schon so, dass, wenn überall Microsoft auf den Produkten, Geräten und Apps steht, dass dann natürlich auch eine bestimmte Affinität zu Microsoft bei unseren Nutzern entsteht. Das kann man auch gar nicht negieren. Doch wir wollen mit modernsten Technologien und einer zukunftsorientierten Lernumgebung „unsere“ Kinder und Jugendlichen sowie die jungen Erwachsenen in idealer Weise auf die Anforderungen einer mehr und mehr digitalisierten Welt vorbereiten.“

Sie steht hinter der Entscheidung und betont, dass gerade Microsoft Tools und Apps habe, die Menschen mit Behinderung perfekt helfen könnten. „Wir haben Menschen mit Seh- und Motorikbeeinträchtigungen, aber auch ältere Mitbürger-innen sowie Menschen mit unterschiedlichsten Intellekten und wir haben sie mit Sprachbarrieren oder auch solche mit Migrationshintergrund.“ Und für diese Nutzer-innen böte der Softwareriese die passenden IT-Tools.

„Und das ist für mich einfach der große Mehrwert.“

Die Nutzer-innen könnten sich die Dinge mit den Tools viel besser selber erschließen. „Wir als Menschen ohne Handicap können uns das manchmal nicht vorstellen. Und warum sollen wir dann nicht für diese Menschen eine solche Kooperation eingehen?“ Das Lernen werde für sie einfacher und motivierender für ihr ganzes restliches Leben. Und das habe für Lauer einen extrem hohen Wert.

Der IB Campus wird aus einer Kindertagesstätte, einer Ganztagsgrundschule, einer berufsbildenden Schule, einer medizinischen Fachschule und aus der Hochschule bestehen. Wir wollen alle Ressourcen, die hier angesiedelt sind, in der Lehre miteinander vernetzen. Eine Studierende aus dem Studiengang „Integrationsmanagement“ zum Beispiel kann jetzt ihre Kita-Projekte für Kinder mit Migrationshintergrund gemeinsam mit den Schüler-innen aus der Erzieherausbildung umsetzen. Oder: Kinder in der Kita gehen zu einem Vorlesetag zu Schüler-innen aus der Erzieherausbildung. Oder die Logopädin der medizinischen Akademie geht in die Kita, um hier die Sprachentwicklung zu unterstützen. Lauer glaubt, dass dieses integrierte und über Grenzen hinweg denkende Vorgehen genau die Bildungskonzepte der Zukunft sind. Lauer stellt sogar den Präsenzunterricht in Frage – gerade für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen böte die Digitalisierung auch von zuhause aus hervorragende Lernmöglichkeiten.

Hinter ihrer Überzeugung, das Richtige vorzuhaben, stehe aber auch, dass sich der IB nicht weiter der Digitalisierung in der Lehre und im Lernen verschließen könne. Und sie hofft damit, zumindest eine richtige von vielen Antworten auf die Frage gefunden zu haben, wie Lernen in Zukunft gehen könnte. Und vor allem, wie Gebäude hierfür konstruiert sein müssen. „Und hier wollen wir auf dem IB Campus gemeinsam neue Modelle entwickeln.“

„Wollen Sie am Ende das gute alte Schul- und Lehrbuch abschaffen?“ „Nein, ich glaube nicht daran, dass das pädagogisch sinnvoll ist. Das Buch behält seinen Platz in der Lehre und beim Lernen, da bin ich mir sicher.“

Wie geht es jetzt weiter?

„Jetzt zurren wir mit Microsoft fest, wohin unsere gemeinsame Reise geht.“ Im Frühjahr 2018 erst hatte sich der IB für das Programm beworben; die Zusage erfolgte im Sommer. Im Herbst wurde der Kooperationsvertrag schließlich unterzeichnet und der erste gemeinsame Workshop fand kurze Zeit später statt. Hier wurden mit Pädagogen, Fachingenieuren und IT Experten von Microsoft mögliche Umsetzungsszenarien erarbeitet.

Der Grundgedanke des IB Campus Mannheim basiert auf einer durchgängigen Bildungskette, die Wissen und Soziales auf eine Stufe stellt. Sie umfasst fünf eigenständig organisierte Einrichtungen, die dennoch übergreifend und gemeinschaftlich handeln: eine Kindertagesstätte, eine Ganztagesgrundschule, die berufliche Carlo Schmid Schule sowie die IB Medizinische Akademie und die Hochschule der Wirtschaft für Management.

Übrigens: Neu ist der Kontakt zum Softwareriesen nicht. Die ersten kleinen Schritte in Richtung eines digitalen Campus sind beide schon vor rund zwei Jahren in der Hochschule der Wirtschaft für Management in Mannheim vorsichtig gegangen. Und jetzt wird diese gute Verbindung im Bereich digitale Lehre und digitales Lernen weiter ausgebaut. Es ist laut eigenen Angaben des IB das größte Projekt, das er in seiner 70-jährigen Geschichte realisiert.