Foto © Robert Kneschke- stock.adobe.com
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Ein deutsch-russisches Forschungsprojekt der Unis Mainz und Sankt Petersburg untersucht esoterische Strömungen. In ihrer vergleichenden Arbeit will Prof. Dr. Birgit Menzel die New-Age-Kulturen, das sogenannte Human Potential Movement, im sowjetischen und postsowjetischen Russland, in Zentraleuropa und den USA bis 2021 analysieren. Birgit Menzel ist Kulturwissenschaftlerin am Fachbereich für Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Die New-Age-Bewegung ist vor allem als eine gegenkulturelle Strömung aus westeuropäischen Ländern und den USA bekannt. Der Begriff „New Age“ selbst bezieht sich auf das Wassermannzeitalter, das nach verschiedenen Auffassungen durch eine besondere astrologische Konstellation im 20. Jahrhundert eingeläutet wurde. Damit verbunden ist die Erwartung einer neuen historischen Ära, in der sich die psychologischen und physiologischen Möglichkeiten des Menschen radikal verändern.

Menzel leitet mit dem Religionsanthropologen Prof. Dr. Alexander Panchenko von der Universität in Sankt Petersburg ein Forschungsprojekt zu neuen religiösen Kulturen im spät- und postsowjetischen Russland.

Aber was hat es mit New Age in Russland auf sich? Tatsächlich blickt Russland auf eine sehr lange Geschichte esoterischer Bewegungen zurück, deren Vitalität auch während der Sowjetzeit trotz Verbot und massiver Repressionen nicht erstickt werden konnte.

„Längerfristig wollen wir ein Netzwerk gründen, das Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Disziplinen aus dem Westen und aus Russland zusammenbringt“, umreißt Menzel die Zukunftspläne.“

Obwohl sich die Ideen, Glaubensvorstellungen und Praktiken des New Age stark unterscheiden können, weisen sie eine innere Logik auf und sind durch eine Vielzahl globalisierter sozialer Prozesse miteinander verknüpft. Daher können sie, so die Prämisse des Forschungsprojekts, als Komponenten einer einzigen esoterischen Kultur untersucht werden.

Ein wesentliches gemeinsames Ziel von New Age die Entwicklung eines Bewusstseins davon, dass alles – Mensch, Natur und Kosmos – mit allem verbunden ist. Aus dieser Idee folgt die Zielsetzung einer grundlegenden moralischen Erneuerung des Menschen durch Selbstvervollkommnung wie auch durch neue harmonische soziale Bindungen.

Die Teilprojekte auf deutscher Seite befassen sich mit astrologischen Schulen und dem kultischen Milieu der späten Sowjetunion und der postsowjetischen Zeit oder mit der Bewegung des mystischen Anarchismus im Russland des frühen 20. Jahrhunderts. Auf russischer Seite wird unter anderem über Ufologie, Praktiken des Channeling und Paranormalität geforscht. Eine weitere Arbeit trägt den Titel „Die Weisheit der Ahnen und die Herausforderung der Gegenwart: Konzepte des New Age in der Rhetorik des ethnischen Traditionalismus in Ossetien“. Außerdem wird über Dienstleistungen auf dem russischen Esoterikmarkt, New-Age-Pilgerfahrten und Amateurlinguistik im Esoterikfeld geforscht.

„Wir betreten hier Neuland, können aber auch auf Vorarbeiten zurückgreifen. Die akademische Esoterikforschung ist eindeutig den Kinderschuhen entwachsen“, so Menzel. Die Wissenschaftlerin war bis vor Kurzem Vorstandsmitglied der European Society for the Study of Western Esotericism (ESSWE), einer wissenschaftlichen Gesellschaft, die zur Erforschung der verschiedenen Strömungen westlicher Esoterik von der späten Antike bis zur Gegenwart beitragen will.

Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Russischen Fonds für Grundlagenforschung (RFBR) finanziell unterstützt. Mehr zum Thema Kultur und Umwelt.