Bisher galt es als medizinisches Lehrbuchwissen, dass die Proteine in der Nahrung keine Immunreaktionen im Dünndarm hervorrufen dürfen, sonst herrscht Chaos. Dieses Dogma gilt ab jetzt nicht mehr: Unsere Nahrung löst im Dünndarm sehr wohl eine Immunantwort aus, die aber dadurch in Schach gehalten wird, dass die beteiligten Immunzellen absterben (Apoptose).

Das hat ein Forschungsteam um den Marburger Immunologen Professor Ulrich Steinhoff herausgefunden. Bisher galt es unter Fachleuten nämlich als ausgemacht, dass die Nahrung keine Immunantwort im Darm auslösen darf. Dem Gegenteil sind die Wissenschaftler-innen jetzt auf die Spur gekommen, indem sie sich den T-Zellen auf ihrem Weg durch Ortschaften wie der Peyer-Plaques an die Fersen geheftet haben.

Diese Ergebnisse legen nahe, dass der programmierte Zelltod von nahrungsaktivierten Immunzellen das Markenzeichen eines gesunden Darms ist.

Die T-Zellen sind weiße Blutzellen, die körperfremde Proteine erkennen – sie sind die wichtigsten Komponenten bei der Abwehr. Diese T-Zellen produzieren in den Peyer-Plaques besondere Moleküle, wie sie für eine Immunreaktion typisch sind; in den Peyer-Plaques also werden die Immunantworten initiiert.

Nun stellt sich heraus, dass nach einer gewissen Zeit in den T-Zellen ein Selbstzerstörungsprogramm startet, an dessen Folgen sie absterben. Das ist der natürliche Plan, den die Expert-innen bislang nicht kannten. Die Fachleute nennen dieses Absterben Apoptose. Steinhoff benutzt die Analogie des Wasserfließens: „Im Darm stellt sich ein Fließgleichgewicht wie bei einem Dorfbrunnen ein. Es werden dauernd neue Immunzellen durch die Nahrung aktiviert und genauso viele durchlaufen den programmierten Zelltod und sterben ab.“

Foto: Uni Marburg
Foto: Uni Marburg, Brunnensystem

Der Immunblocker PD-1 ist dafür verantwortlich, die T-Zellen zur Apoptose zu veranlassen. Hemmt man die Aktivität von PD-1, so führt dies zu Darmentzündungen, weil die Immunzellen nicht absterben. Das erkläre auch, warum Darmentzündungen häufig bei Patienten mit Melanomen auftreten würden, bei denen PD-1 durch Antikörper ausgeschaltet werde, so Steinhoff.

Hier gehts zur Erstveröffentlichung (Alexander Visekruna & al.: Intestinal development and homeostasis require activation and apoptosis of diet-reactive T cells, The Journal of Clinical Investigation, DOI: https://doi.org/10.1172/JCI98929).

Um eingehender zu testen, welche Bedeutung der Immunreaktion des Darms zukommt, stellten die Wissenschaftler Experimente mit der Nahrung von Mäusen an. Erhalten die Tiere eine Protein freie Diät, die alle wichtigen Nährstoffe enthält, so verkümmert der Dünndarm – offenbar braucht der Organismus Proteine, die das Immunsystem erkennen kann. Im Einklang mit diesen Befunden zeigte sich bei Patienten mit der chronischen Darmentzündung Morbus Crohn, dass sie in den Peyer-Plaques eine stark verringerte Anzahl von Immunzellen aufweisen, die Apoptose erleiden.