Berichte über Tom Buhrow kennen wir eigentlich nicht. Wir kennen sie von ihm – damals aus den Tagesthemen. Als Intendant des WDR war Tom Buhrow mit Aufklärungsarbeit in seinem Hause beschäftigt. Es ging um den #meetoo-Skandal und all diese unschönen Ereignisse, die zu ihm geführt haben. Auch der WDR war betroffen. In dem  Bericht geht es aber nicht um Tom Buhrow und auch nicht um #meetoo. Es geht um das Recherchenetzwerk Correctiv, das einige dieser unangenehmen Zusammenhänge ans Licht befördert hat. Sogar die Tagesschau hat dieses Netzwerk erwähnt. Wir wollten wissen, welche Journalist/innen hinter diesem Correctiv stehen und haben mit David, einem von beiden Gründern, gesprochen.

Also – auf gehts: Medikamenten-Panscher und Betrüger divers hört mal alle her! Die von Correctiv werdet ihr nicht gerne haben. Denn sie sind Profi-Rechercheure, die ihr Handwerk lieben. Hochdekorierte Journalisten wollen Bürger da aufklären, wo die Medienlandschaft aufgeweicht ist. Wenden wir den Blick also ab von Tom Buhrow und hin zu einem anderen Tatort in Bottrop, Medikamenten-Panscherei. Da hatte ein Apotheker mit Kranken ein übles Spiel gespielt. Correctiv fackelte nicht lang rum und wollte Licht ins Dunkel bringen. Sie mieteten ein Ladenlokal, stellten einen Tisch rein, öffneten die Türen und damit war die mobile Redaktion in der Bottroper Fußgängerzone installiert. Viele Betroffene kamen in die Redaktion, wollten Rat und wollten erzählen, was ihnen passiert war. So kam das wahre Ausmaß dieser Panscherei ans Licht.

Ich habe mir von David das Prinzip und die Beweggründe für Correctiv schildern lassen. Denn auf den ersten Blick tun sie nichts außergewöhnliches, was irgendein Journalist nicht auch tut, der in irgendeiner Redaktion bei irgendeiner Zeitung arbeitet. Schnell bemerke ich aber den Unterschied.

„Erklär mir mal den Unterschied!“ Er: „Wir recherchieren langfristig zu Themen, die andere Medien zu wenig beachten können. Wir wollen Informationen sammeln, damit wir alle die Welt und die Strukturen, in und mit denen wir leben, besser verstehen und einordnen können. Und welche Redaktion will und kann sich das leisten?“

David war bei allen großen Tageszeitungen dieser Republik. Möchte man seine Karriere mit geometrischen Formen vergleichen, darf man gerne ein Dreieck zu Hilfe nehmen. Es ging konstant in spitzem Winkel nach oben. Er hätte seinen Sessel  nicht kalt werden lassen müssen. Niemand zwang ihn aufzuhören. Denn alles war gut. Er war zufrieden, sein Chef war zufrieden, seine Leser waren zufrieden und seine Mitarbeiter waren auch zufrieden (naja, denkt man als Vorgesetzter ja immer – aber das ist ein anderes Thema).

„Liefer‘ mir gute Geschichten und wir sind Freunde.“

Das war wohl die unausgesprochene Bitte seines Chefs. Und das tat er viele Jahre lang. Aber ein Teil von Davids Geist ist sehr system- und zeitkritisch. Und dieser Teil seines Geistes, kombiniert mit dem Geist desselben Charakters seines Kumpels Oliver, haben Correctiv erdacht. Beide hatten überlegt, ob es wohl eine andere Form der Recherche geben könne als die, die sie tagtäglich taten. Es musste eine Form her, bei der man auch über viele Monate hinweg an einer Geschichte arbeiten kann, um ein umfängliches und komplettes Bild von etwas zeichnen zu können.

Diese Überlegungen taten Davids und Olivers Geister nun vor etwas mehr als sechs Jahren. Denn einmal gedacht, gab es für die beiden kein Zurück mehr. Und so machten sie sich auf, eine Form des Journalismus zu finden, der lange Recherchen erlaubt. Aber für wen tun sie das jetzt? Nicht für ihre Schubladen, soviel sei vorweggenommen. Sie tun das für ihre Abnehmer. Das sind Lokalredaktionen, Fernsehanstalten oder Radiosender. Sie sind so gut vernetzt, dass sie wissen, dass die Abnahme gesichert ist. „Wir fragen einfach mal in die Runde unserer 1.500 Kontakte, ob diese oder jene Geschichte passen könnte, dann wird entscheiden.“

„Bist du zufrieden mit dem, was ihr erreicht habt? Er: „Ich finde schon, ja das klappt. Wir meinen das verdammt ernst, was wir tun. Wir haben wacker gearbeitet und unser Projekt ist und war mit viel Hoffnung verbunden.“

Heute, sechs Jahre später besteht die Redaktion correctiv.org aus sieben festangestellten Mitarbeitern, die alle an 1 bis 2 großen Geschichten arbeiten. David kümmert sich unter anderem um sein Lieblingsthema Mafia. „Das hat mich schon immer interessiert. Dazu mache ich Dokumentationen, Bücher und reise viel durch Europa.“

Man kann David schwerlich erreichen, weil er stets unterwegs ist. Treffen geht ganz schlecht. Da hat man eher schlechte Karten. Doch so scheint es bei den Vielbeschäftigten dieser Nation immer zu sein. Ein Einzelfall ist David da nicht – verständlicherweise.

Das Leben unterwegs scheint seine Fantasie zu beflügeln. Denn Correctiv will sein Wissen, wie man Journalismus richtig betreibt, wie man richtig recherchiert und wie man Geschichten interessant gestaltet nun auch weitergeben. „Im September 2018 ist unsere richtig richtig tolle Webakademie (Reporterfabrik) online gegangen. Die Schulungsmaterialien und das Softwaresystem sind von der Harvard University. Viele Workshops stehen Leuten zur Verfügung, die den Journalismus lernen wollen. Es gibt das Basic-Angebot bis hin zu Matserclasses. Die ersten Tutorials und die Plattform sind jetzt fertig.“

Ich: „Seid ihr sicher, dass euer Nachwuchsprogramm das nötige Renommee haben wird?“ Er: „Das ist mir egal. Ich finde das Programm genial. Das wird ein ziemlicher Kracher.“ Ich: „Und wen sprecht ihr an? Er: „Leute im normalen Alter und Jugendliche. Das kann sich jeder zusammenstöpseln wie er will.“

Das Korrectiv von correctiv – Das ist ein Kuratorium, das die richtige Verwendung der verfügbaren Mittel sicherstellt. Das Kuratorium sichert die Unabhängigkeit. Es besteht aus Experten, die sich a) mit dem Mediengeschäft und b) mit gemeinnützigen Organisationen auskennen. Neben dem Kuratorium wacht ein Ethikrat über die Arbeit. Der Aufsichtsrat wiederum kontrolliert die wirtschaftliche Arbeit. Und es werden keine Gewinne erzielt.

Ich: „Wie seid ihr eigentlich auf diesen Namen gekommen?“ Er: „Den hat sich Olivers Frau ausgedacht. Unser Vorgängername Puls war blöd.“ Ich: aha.