Connie Ruoff verrät uns das Geheimnis, das hinter ihrem Blog steckt. Die Rezensorin spricht über das Leben und ihre Vorhaben: Was sie bewegt und was sie ablehnt. Und hier zeichnet sich das Bild einer Kritikerin aus Wiesbaden ab, das es in sich hat. Kritik ist für sie multidimensional.

„Wer bin ich, andere zu beurteilen?“ Sagt sie im Frühsommer in Wiesbaden an einem Tisch eines bekannten italienischen Restaurants am Fuße des Neroberges. „Wer bin ich, über andere ein Urteil zu fällen?“ Schickt sie gegen 21.40 Uhr leise hinterher. Leise ist eigentlich laut, denn der Geräuschpegel in diesem Restaurant ist so laut, dass normale Tonstärke als leise eingeordnet werden kann. „Außergewöhnlich voll ist es hier heute“, sagt ihr Ehemann, der die bekannte Rezensorin fast immer begleitet. Beide sind ein eingespieltes Team. Beide gehen extrem höflich und respektvoll miteinander um.

Connie Ruoff betreibt den Literatur-Blog www.schreibblogg.de. Sie hat ihr Hobby zum Beruf gemacht. Nicht das Lesen ist ihr Hobby! Nicht das Schreiben ist Ihr Hobby! Nicht das Programmieren an Websiten ist Ihr Hobby! Es ist die stetige Suche nach neuen Herausforderungen, um an diesen zu wachsen. Und der Schreibblogg ist „nur“ ein Resultat dessen.

Na klar, das hört sich trivial an. Schließlich treibt dieser Impuls die Menschheit an. Ohne diesen Forscherdrang und ohne diese Art von Neugierde, würden wir wahrscheinlich noch immer Beeren sammeln. Und dennoch!

„Diese Abgestumpftheit von vielen stört mich, so möchte ich nicht sein.“

Und damit meint sie wahrscheinlich unsere Gesellschaft, der es so gut geht, auch wenn sie meint, es gehe ihr nicht gut. Heutzutage verlaufen wir uns im Beklagen und Kritisieren. Wir verdaddeln uns im ewigen Nörgeln und übersehen eines: Wie privilegiert wir sind.

Das treibt sie an. Und darin liegt eine übergeordnete Harmonie. Denn Rezensorinnen werden auch Kritikerinnen genannt. Hier scheint ein Widerspruch vorzuliegen. „Das sehe ich ganz anders. Es gibt positive und negative Kritiken. Kritik bedeutet, Stellung zu beziehen, eingedenk der Tatsache, dass es sich immer um eine persönliche Sicht handelt. Ich warne vor Verallgemeinerungen. Das, was ich fühle und wahrnehme, wenn ich ein Buch lese, kann bei allen anderen unzutreffend sein.“

Ist diese Reflektionsebene nicht zu viel verlangt? Von wem, von den Lesern des Buches oder von denjenigen, die meine Rezensionen lesen? Von allen, denn viele wollen sich doch gar nicht kritisch mit dem auseinandersetzen, was sie konsumieren. Doch kann sein, deshalb mache ich es den Schwerfälligen am Ende der Rezensionen leicht. Ich weise immer darauf hin, dass es meine persönliche Meinung ist.

Ihr Blog ist keiner von vielen, auch wenn die Thematik das vermuten ließe. Heute rezensiert und kritisiert jeder, der nicht bei drei auf den Bäumen ist. Und das, was man da liest, ist meistens extrem langweilig und eingefärbt. Vieles scheint nur ein Ausdruck von irgendwelchen negativen Projektionen zu sein. Bei www.schreibblogg.de hat man genau den gegenteiligen Eindruck. Der Blog ist klar und sauber. Und dadurch, dass Connie immer darauf hinweist, dass es ihre Meinung ist, macht es diese umso interessanter. „Die Leute wollen wissen, was andere über ein Buch denken. Nicht wissenschaftlich in seine sprachlichen und linguistischen Einzelteile zerlegt. Nein! Sie wollen nur einen Anstoß, ob es sich lohnen könnte, Zeit in dieses oder jenes Buch zu investieren. Um Geld geht es hier gar nicht mal.“

Wir sitzen immer noch in dem lauten Restaurant und unsere Pasta und Allerlei stehen vor uns. „Wirklich sehr lecker“, schmeiße ich in die Runde, während Connie gar nicht zum Speisen kommt. Sie erzählt, dass sie Philosophie und Germanistik studiert hat. Ich hatte nicht den nötigen Anstand, während des Essens auf Fragen zu verzichten. Aber genau genommen entwickelte sich der Abend in eine fast freundschaftliche Richtung. Und irgendwann entglitt er uns auch, dieser Abend, der gedacht war als Frage-Antwortspiel zwischen Journalistin und Rezensorin. Wir sprachen dann bunt durch unsere Leben. Wer wen interviewte, war fließend, mal ich, mal sie, mal er, dann wieder sie und auch wieder ich und dann wir alle drei.

So kam es, dass wir bald bei philosophischen Themen angelangt waren. Sterben und Leben, Glück und Zufriedenheit, Geld und Nicht-Geld, Urteilen und Verurteilen, Lassen und Fesseln, Leben als Hauptseminar mit Übungen. Und hier hat sich eine Connie gezeigt, wie man sie auch in ihrem Blog erkennen könnte, wenn man wollte. Wenn man sich drauf einlassen wollte, zwischen den Rezensionen ein Wesen zu lesen, das genau weiß, warum sie dieses und nicht jenes Buch rezensiert.

Unser Thema war von Anfang an das Beurteilen. Schnell schon sprach Thor, ihr Mann, einen Satz, der uns alle drei zu heftigem Nicken veranlasste.

„Wir sind Menschen und deshalb urteilen wir. In der ersten tausendstel Sekunde ist die Schublade wieder zu und unser Gut ist drin. Peng.“

Das sagte ein Arzt mit großem Verständnis dem Menschsein gegenüber habend. Nicht abfällig, nicht arrogant, nur anerkennend, dass es zum Wesen des Menschen dazu gehöre. Die Frage sei nun, führte Connie den Gedanken weiter, wie wir als Menschen damit umgingen, mit dieser wichtigen Eigenschaft. Punktgenau landeten wir dann bei ihrem Blog. „Wenn ich nicht den Satz hinzufüge „Wie immer bei einer Rezension, ist das natürlich meine persönliche Meinung.“ Dann zumindest lasse ich immer erkennen, dass ich diejenige bin, die hier was meint.

Leben als Übungen zu einem Hauptseminar

Connie frage ich, was war das Bewegendste, was du bisher erlebt hast? So wird sie still und sehr nachdenklich. Unser Essensvorhaben hatten wir da schon längst aufgegeben. Und sie berichtet von einem Buch einer Mutter, die ihren Sohn durch eine schwere Krankheit, ALS, verloren hat. Das Sterben ihres Kindes hat diese Frau in einem Buch am Leben erhalten für alle, die vor und in schweren Phasen sind. Connie kommen Tränen in die Augen, weil sie sehr beeindruckt war, wie sehr das Sterben das Leben hervorbringt.

„Diese Mutter hat in ihrem Werk ihren ganzen Mut ausgedrückt, den Leben braucht. Aber nicht nach der Devise: Komm lass dich nicht unterkriegen. Nein, es war eher der Kreislauf und das Sich-hineinfallen-lassen-können ins Vertrauen.“

Und hier erkennen wir Connies Wesen. Und das, was ihren Rezensionen zugrunde liegt. Jeder Einzelnen. Das Punktesystem, das sie anwendet, dient der Übersicht, dient dem ersten Eindruck für diejenigen, die ihre Rezensionen lesen. Es ist nicht Ausdruck irgendeiner systemischen Anhaftung von Connie Ruoff. Davon ist sie ohnehin weit entfernt. Doch, da hatte Thor recht und Connie folgt dem leicht: Weil wir naturgemäß urteilen, sollten wir es allen doch so leicht wie möglich machen immer mit dem kleinen feinen Schildchen für die Schnellurteiler unter uns: Exit – Bedenke du kannst auch anders urteilen!

Das Leben begreift sie als Übung zu einem Hauptseminar auf der Uni namens Erde. Der Weg ist unergründlich. Sterben und Leben hängen zusammen. Und nun sagt die beliebte und bekannte Rezensorin für Bücher in einem Frühsommer in Wiesbaden an einem Tisch eines bekannten italienischen Restaurants am Fuße des Neroberges: „Ich möchte den Besuchern meines Blogs nur die Möglichkeit geben, von vielen Seiten auf etwas zu schauen. Das Weiterdenken und Hinterfragen stehen für mich an erster Stelle. Wenn ich dazu einen Beitrag leisten kann, freut mich das!“

Danke liebe Connie!

Connie ging mit ihrem Blog 2017 online. Das Layout hat sie selber erstellt. Die Neugierige hatte das als spannende Herausforderung gesehen und sich eingearbeitet, wofür andere mehrere Tausend Euro ausgeben. Die Rechte an der Schnecke, ihrem Erkennungszeichen, hat sie bei lightsource über shotshop.com erworben. „Ich hätte sie selbst nie so passend entwerfen können. Ich sah sie und wir wussten, wir sind für einander bestimmt“, lacht sie. Ja, wer sich einmal genauer diese Schnecke ansieht und einen Abgleich mit den Inhalten ihres Blog macht, erkennt razfaz, dass es stimmig ist. Sie bewirbt den Blog über die sozialen Medien, hauptsächlich ihrem Twitteraccount. Anfangs hatte sie ihre Follower einzeln gezählt. Bei 68 fiel sie fast aus den Latschen. Sie konnte es gar nicht glauben. Jetzt hat sie so viele Fans, dass sie sich selber wundert. Sie rezensiert für Selfpublisher und renommierte Verlage. Connie liest und liest und rezensiert – aber immer fair.