AMAZONICA - Foto ©Fotos 593 - stock.adobe.com
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„Jetzt muss mir die Regierung von Ecuador ein Angebot bezüglich meines Visums machen. So geht das nicht mehr weiter.“ Das sagt uns Mascha Kauka, die Gründerin der Stiftung AMAZONICA und des Vereins  INDIO-HILFE . Wir haben sie grad noch in München erwischt, kurz vor ihrer Rückreise in den Amazonas, zu einem Gespräch. Sie ist irgendwie genervt von ihrer Visumssituation mit Ecuador. „Im Grunde lassen wir dem Land seit 1982  umsonst Entwicklungshilfe zukommen und es ist ihm nicht möglich, mir ein unbürokratisches Einreiseprozedere zu bewerkstelligen.“

Mascha Kauka arbeitet seit fast 40 Jahren mit indigenen Völkern in ganz Ecuador. Seit 20 Jahren kämpft sie für  die Zukunft  der indigenen Bewohner der Shuar und Achuar in der Amazonasregion Ecuadors am Rio Pastaza. Viele Monate lebt sie deshalb gemeinsam mit den Indianern im Regenwald und leistet dort entwickelnde Hilfe.

Bild Copyright bei Stiftung Amazonica
Amazonica, Foto © Stiftung Amazonica

„Eine Alternative zu Visumsformalitäten wäre, nach Ecuador auszuwandern, Frau Kauka.“ „Nein, das will ich nicht. Ich liebe München.“ Sie will in ihrem eigenen Rhythmus hin und herreisen – diese Freiheit gönnt sie sich. Und dafür hatte sie sich gleich Anfang Juni einen Termin bei dem  ecuadorianischen Vize-Präsidenten organisiert, der das Problem lösen soll.

„Wieso eigentlich Entwicklungshilfe, Frau Kauka, das machen Sie doch gar nicht – zumindest nicht im klassischen Sinne.“ „Natürlich, wie wollen Sie das denn sonst nennen? Wir helfen den Indianern, in ihren Dörfern Arbeitsplätze  aufzubauen, damit sie Einkommen vor Ort haben, im Wald bleiben können und ihn nicht verlassen müssen. Das ist Entwicklungshilfe.“

Die Idee, Tourismus auf dem eigenen Territorium zu betreiben, stammt aber nicht von ihr. Sie stammt von den Waldbewohnern  selbst. 1999 haben sie sie um eine solche Hilfe gebeten. So gesehen ist es dann Hilfe zur Weiterentwicklung, weil das globale Gefüge aus den Fugen geraten und schließlich auch im Regenwald spürbar geworden war. Die Indianer hatten gemerkt, dass  es höchste Zeit ist, sich etwas einfallen zu lassen, um den Wald nicht zu verlieren und ihre Heimat nicht gegen das Leben in der Stadt eintauschen zu müssen.

In diesem Video beschreibt Mascha Kauka beim Hilton Talk ihre Arbeit: Der verheizte Planet.

„Hatten Sie und ihr Mann eine langjährige und freundschaftliche Verbindung zu diesen Indianern?“ „Nein, es war Zufall, eine glückliche Fügung. Die Achuar und Shuar luden uns ein, weil sie von unserer erfolgreichen Arbeit mit benachbarten Völkern gehört hatten.“ „Und warum wollten die Indianer Tourismus?“ „Das weiß ich nicht, wahrscheinlich genauso wie wir im Westen gute Businessideen entwickeln. Sie hatten von Tourismus gehört, und da war für sie klar, dass der Tourismus ihnen zweierlei ermöglichen würde: in ihrem Gebiet zu bleiben und dennoch Einkommen zu erwirtschaften.

„Und heute?“ Da lacht Frau Kauka und schüttelt den Kopf: „Heute habe ich viel gelernt über Bürokratie, Korruption, NGOs und Mittelverteilung durch das deutsche Ministerium für Entwicklungshilfe.“ Sie erzählt von Bewilligungsprozessen, die nach zweijähriger Wartezeit nicht faktisch, sondern zufällig getroffen wurden. Sie erzählt von lasterhaften Vorurteilen gegenüber den Indianern, als es um die Finanzierung eines Transportflugzeuges gegangen war. Sie erzählt von durchstrukturierten Antragsformularen, die anzukreuzen waren. Doch leider war kein Punkt in dem Formular, der die Bedingungen eines Regenwaldes berücksichtigte. Alternativ musste der Antrag für ein karges Bergland in Mexiko ausgefüllt werden in dem Sachbearbeiter-Irrglauben, Lateinamerika sei Lateinamerika.

AMAZONICA - Foto (c) Martin PELANEK - stock.adobe.com
Tucan in Ecuador- Foto (c) Martin PELANEK – stock.adobe.com

“Darf man sagen, dass alle irren, die glauben, Massentourismus vorzufinden?“ Mascha Kauka  lacht laut auf: „Ja das darf man sagen. Und das soll sich auch nicht ändern.“

Systemische Widrigkeiten ist Kauka demnach also ganz offensichtlich gewöhnt, sowohl in Deutschland als auch in Ecuador. „Sind sie ernüchtert?“ „Nein, auch wenn es sich manchmal zäh gestaltet. Unsere Arbeit wird jedes Jahr wichtiger. Es ist eine lebenslange Aufgabe“, betont sie. Und so ist das Tourismusnetzwerk , das sie und die Waldindianer  aufbauen, auch noch lange ein Thema.  

Und wie finanziert sie das Ganze? Über Fundraising  wie es andere Hilfsorganisationen  auch tun. Dabei widmet sie den Privatspendern  die meiste Zeit, weil sie sagt: „Unterstützung findet man am besten , wenn man sich mit seinen Spendern ab und zu persönlich trifft.“ Und das ist eine ihrer Haupttätigkeiten, wenn sie alle paar Monate zurück aus dem Regenwald wieder in Deutschland ist.

Wie lässt sich also beschreiben, was die Indianer und Kauka im Regenwald nah der Grenze zu Peru aufgebaut haben? Am besten schaut man dazu auf die Website von AMAZONICA. Doch so viel vorweg: Es ist ein Sehnsuchtsort im Wald; Stilvoll in der Tradition der Shuar gebaut und eingerichtet ohne Verzicht auf Service, Komfort und Hygiene. Und bei Kulinarik verbinden die Gastgeber beide Welten: die indianische und die südamerikanische.

Anreise – Die Anreise ist vergleichbar mit der auf maledivische Inseln. Zuerst geht’s zur Hauptstadt, dann mit dem Auto an den Rand des Waldes und schließlich fliegt man in die Dörfer. Also: wir fliegen ins ecuadorianische Quito, entweder mit Lufthansa über Panama-Stadt, KLM, IBERIA oder Delta Airlines (mehrmals wöchentlich). Mitarbeiter der Stiftung AMAZONICA holen die Gäste dort ab für die Weiterreise in den Wald. Die Empfehlung lautet, bei Ankunft oder vor Abflug mindestens einen Tag für Quito einzuplanen. Dann geht es meistens am nächsten Vormittag weiter. Der Aufenthalt in Quito kann über ein Reisebüro individuell oder geführt gestaltet werden. Da bei Regen nicht in den Wald geflogen wird, sollte man einen Puffertag einrechnen.

Die Besucher (übliche Touristen, Studenten oder Dozenten) können Wanderungen im Regenwald unternehmen (geführt) und sich auf Flussfahrten austoben – wenn sie das wollen. Und für die, die Ruhe und Entspannung suchen? „Im Sinne des Digital Detox finden auch diejenigen Erholung und absolute Ruhe mit Meditation oder Yoga, Entspannungstherapien und Anwendungen aus der indigenen Naturheilkunde. Hier kann man sich die Reisebroschüre herunterladen.

In knapp sechs Monaten werden wir Mascha Kauka und ihre Projekte im Regenwald besuchen und selber auf Entdeckungsreise gehen. Wir schauen uns an, wie sie entwickelnd hilft. Wir wollen wissen, wie Entwicklungshilfe modern gestaltet werden kann und sollte, und wir knüpfen thematisch an den Bericht über Karl Heinz Böhm‘s Äthiopienhilfe an.

Akademie AMAZONICA
Akademie AMAZONICA

Was hat es eigentlich mit der Akademie auf sich? Die AMAZONICA Akademie ist die erste Urwald-Akademie mit zwei Repräsentanzen in der Amazonasregion Ecuadors. Sie liegt weitab vom Straßennetz, mitten im tropischen Regenwald auf indigenen Territorien. Diese Ausbildungsstätte dient gleichermaßen den Indianervölkern Amazoniens wie der Jugend der Welt. AMAZONICA ermöglicht internationaler Forschung und Lehre den Zugang zu einem Lebensraum, dessen Schicksal für die Menschheit von immer größerer Bedeutung wird, den Kontakt mit der Lunge der Erde und verantwortungsbewusstes Arbeiten in einem der letzten noch gesunden Regenwaldgebiete. Sie ist eine gemeinnützige Gesellschaft und wurde nach deutschem Recht mit Sitz in München gegründet. Die Lehrinhalte weichen von einem üblichen Hochschulbetrieb ab. Hier werden auch Menschen ohne Abitur und sogar Analphabeten unterrichtet, zum Beispiel indigene Waldbauern in der Verbesserung ihrer Anbaumethoden und in Kleintierhaltung. Vertretern aus interessierten Dorfgemeinschaften wird das „Modell für zeitgemäßes Leben und Arbeiten im Wald“ in Theorie und Praxis gelehrt – siehe Projekte. Indigenen Abiturienten werden Seminare für lokales Führungsmanagement angeboten und Kurse in verschiedenen Berufssparten. Außerdem vergibt die Akademie lokal Schülerbeihilfen und Stipendien, damit auch die Jugend im Wald Gymnasien und Universitäten besuchen kann. (Die Beschreibung der Akademie entstammt unverändert von der Seite AMAZONICA.)

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Frau Kauka, können Sie uns von einem bewegenden Erlebnis während ihrer Arbeit mit den Indianern berichten? Da gibt es den Häuptling, der beim Flechten  seines Hausdaches aus acht Metern Höhe  herunter gestürzt war. Bis zu seiner Genesung war es schwer gewesen, die Stammesangehörigen zur weiteren Arbeit zu motivieren. Sie hatten mit dem Häuptling mitgelitten, das äußerte sich in Antriebslosigkeit. Lethargie und Traurigkeit hatten für ein paar Monate unser ganzes Projekt überschattet, es kam zum Stillstand. Das musste ich akzeptieren. Mit viel Empathie konnte ich schließlich erst einen, dann zwei und dann immer mehr zum Weitermachen ermuntern.